Das Gordon-Bennett-Rennen in HomburgVon Graf von Arco - Hierzu 12 photographische Aufnahmen Das größte und wichtigste automobilsportliche Ereignis des ganzen jahres steht dicht bevor. Am 17. Juni wird das Gordon-Bennett-Rennen auf der Rennstrecke im Taunus ausgefahren. Das Interesse hieran ist allgemein und geht weit hinaus über die enger beteiligten industriellen und sportlichen Kreise. Der deutsche Kaiser hat für die Auswahl der Rennstrecke selbst die Entscheidung gegeben, und sein persönliches Erscheinen am Renntag ist bestimmt in Aussicht gestellt. Während auf der Homburger Rennstrecke die Vorbereitungen noch eifrig betrieben werden, haben bereits Ausscheidungsrennen zur Qualifikation der besten Fahrer und Wagen in Frankreich und England stattgefunden. Von diesen Vorkämpfen bringen wir eine Reihe von Abbildungen. Zuvor sollen kurz die bestehenden Satzungen und die früheren Ergebnisse des G.-B.-R. besprochen werden. Gordon Bennett, der Besitzer des Neuyork Herald, stiftete 1899 einen kunstvollen Pokal als Wanderpreis dem französischen Automobilklub mit der Bestimmung, daß dieser Preis immer in dem Land verteidigt werden müsse, das ihn zuletzt gewonnen habe. Zunächst blieb der Preis in Frankreich. Er wurde im Jahr 1900 von Charron und 1901 von Girardot, und zwar beide Male auf einem der berühmten französischen Panhardwagen, erfolgreich verteidigt. 1902 dagegen verlor ihn Frankreich; denn der bekannte englische Fahrer Edge konnte ihn durch ein sieghaftes Rennen auf einem Napierwagen an England bringen. Indessen blieb England nur ein Jahr lang Besitzer des Preises, denn 1903 entführte Jenatzy die vielumworbene Trophäe nach Deutschland, indem er einen deutschen 60pferdigen Mercedeswagen, hart bedrängt von den fast ebenso schnellen französischen Panhard- und Morswagen, zum Sieg steuerte. Die Taunus Rennstrecke, auf dem der deutsche Automobilclub, der diesjährige Inhaber des Pokals, diesen zu verteidigen hat, ist eine Rundstrecke und mißt 137,5 Kilometer. Sie wird den Rennsatzungen gemäß viermal befahren werden. Von den auf der Höhe der Saalburg errichteten riesigen Tribünen aus übersieht man einen großen Teil der landschaftlich und sportlich schönen Bahn. Starke Steigungen wechseln mit ebensolchen Gefällen, dazwischen überraschende Biegungen kurz, eine Aussicht auf Sieg hat nur der Fahrer, der nicht nur über einen sehr schnellen und bezüglich der Geschwindigkeit elastischen sowie leicht lenkbaren Wagen verfügt, sondern der kühn und berechnend sein Steuer handhabt, wenn er mit 150 Kilometer Stundengeschwindigkeit einer Schnelligkeit, beinah doppelt so groß wie die eines Schnellzugs dahinsaust. Gegen sechs Länder wird diesmal Deutschland den Pokal zu verteidigen haben, und etwa 20 Fahrzeuge werden am Start erscheinen. England, Frankreich, Österreich, Belgien, Italien und die Schweiz haben ihre Nennungen aufrechterhalten, während Amerika in letzter Stunde zurückgetreten ist. Jedes Land darf höchstens drei Fahrzeuge stellen. Von den drei deutschen Farben vertretenden Wagen werden zwei 90pferdige Mercedeswagen sein. Den ersten dieser Wagen wird der vorjährige Sieger Jenatzy den andern Baron de Caters lenken. Den dritten deutschen Wagen stellt Opel-Darracq, Rüsselsheim, den Fritz Opel persönlich steuern wird. In England und Frankreich sind seitens der Automobilfabriken weit mehr Meldungen eingegangen. In diesen beiden Ländern mußten daher die drei besten durch besondere Ausscheidungsrennen festgestellt werden. In England fand das Ausscheidungsrennen am 9., 11. und 12. Mai auf einer 82 Kilometer langen, fünfmal zu umfahrenden Rundstrecke auf der Insel Man statt. Von den elf Fahrzeugen, die nacheinander auf Betriebssicherheit, auf ihre Fähigkeit, Steigungen zu bewältigen, und auf Geschwindigkeit geprüft wurden, sind schließlich als Sieger folgende Fahrer und Wagen hervorgegangen: 1. Herr F. Edge, der Sieger von 1903, auf 80pferdigem Napier; 2. Herr Ch. Jarrott auf 96pferdigem Wolseley; 3. Herr S. Girling auf 72pferdigem Wolseley. Die beiden siegreichen Wolseley-Wagen sind entgegen der jetzt allgemein herrschenden automobiltechnischen Mode die einzigen, die leigende Motore besitzen. Das französische Ausscheidungsrennen am 20. Mai, das über eine Strecke von etwa 562 Kilometer, und zwar in den Ardennen ausgefahren wurde, sah die normale Zahl von 29 Konkurrenten am Start, die in Abständen von je zwei Minuten abgelassen wurden. Bei jeder Runde schied ein Teil der Konkurrenten aus. In der letzten Runde waren noch 10 der 29 gestarteten im Feld. Der wagen Nr. 1, um 5 Uhr abgelassen, war ein de Dietrich-Wagen und wurde von dem letzten Gordon-Bennett-Rennen in Irland bekannten Sportsman Baron de Forest gesteuert. Eines der Abbildungen zeigt eine Straßenkreuzung der Rennstrecke, stark bewacht von französischer Infanterie, die zur Sicherung in einer Stärke von 5000 Mann aufgeboten war. Mann erkennt auf der Chaussee den Rennwagen Nr. 18, einen 100pferdigen Panhard, von Teste gesteuert. Der strengen Überwachung der in Frage kommenden Straßen war es nicht in letzter Linie zu verdanken, daß sich keine ernsteren Unfälle ereigneten.
Den schnellsten der 29 Konkurrenten zeigt unsere Abbildung, nämlich Herrn L. Théry, auf seinem 80pferdigen Richard-Brasier-Rennwagen. Die Motore dieses Hauses sind in diesem Jahr bei dem Motorbootrennen in Mote Carlo schon einmal siegreich gewesen. Den zweiten Platz hat Salleron auf Mors belegt, jenem berühmten Fabrikat, auf dem bekanntlich bei der Fernfahrt Berlin - Paris 1901 Fournier als erster hier eintraf. Als drittbester ging in den Ardennen Herr H. Rougnier durchs Ziel. Wir sehen ihn am Steuer eines 100pferdigen de Dietrich-Rennwagens nach dem System Turcat Méry. Nun noch einiges über die Persönlichkeiten der beiden bekanntesten, für das Gordon-Bennett-Rennen erwählten französichen Fahrer. Théry ist noch verhältnismäßig jung, aber ein ausgezeichneter Automobilist, der bereits mehrfach in großen Motorwagenrennen startete und sich rasch einen Namen auf dem Gebiet des modernsten Sports machte. Salleron ist bekannt wegen der enormen Geschicklichkeit, mit der er das Lenkrad zu regieren versteht, und tollkühn, wenn sich ihm eine Aussicht auf Erfolg bietet; er ist einer der aussichtsvollsten Bewerber um den diesjährigen Gordon-Bennett-Preis. Die beim englischen, vor allem aber beim französischen Vorrennen erzielten hervorragenden Leistungen machen es zur Gewißheit, daß die Deutschen Vertreter in Homburg einen harten Kampf zu bestehen haben werden, und daß sie ganz Vorzüglisches leisten müssen, wenn der Gorden-Bennett-Pokal auch im nächsten Jahr in Deutschland bleiben soll. Quelle: Die Woche von 1904; © björn Jadu 2001 |
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