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Die Gordon-Bennett-Woche

Von Kapitän zur See a. D. von Pustau (Hierzu 12 photographische Aufnahmen)

Der friedliche Wettkampf der Industrien von sechs Nationen, der am 17. Juni in den anmutigen Gefilden des Taunus ausgefochten wurde, hat mit einem Sieg der Franzosen geendet. Vorbei sind die glänzenden festlichen Veranstaltungen, die aus diesem Anlaß mehr als acht Tage hindurch den aus allen Teilen der Welt zusammengeströmten Besuchern in Homburg und Frankfurt geboten worden sind, nicht mehr wird die Ruhe des freundlichen Badeorts durch Hunderte von fachenden, polternden und knatternden Automobilen gestört, und die Augen der sportliebenden Welt sind jetzt nach einer andern Richtung gelenkt, nach der Kieler Förde, auf deren blauen Wassern schlanke Segelfahrzeuge unter den Augen unseres Kaisers und seines erlauchten Gastes, des Königs Eduard VII. von England, um die Siegespalme ringen. Da gilt es, einen Rückblick auf das Gordon-Bennett-Rennen zu werfen, das, wenn es gleich die übertriebenen Erwartungen vieler nicht ganz erfüllte, dennoch seine Bedeutung als ein sportliches Ereignis allerersten Ranges aufs neue unbestreitbar erwiesen hat.

Es ist das fünftemal, das Rennwagen um den im Jahr 1899 von dem bekannten Sportsmann James Gordon-Bennett, dem Besitzer des "New York Herald", gestifteten Wanderpreis eine Wettfahrt veranstaltet haben, und es ist sehr lehrreich, die Geschichte der bisher abgehaltenen Rennen zu verfolgen, in denen als die nominellen Konkurrenten nicht die einzelnen Wagen oder Baufirmen gelten, sondern die vornehmsten Automobilclubs der bei der Wettfahrt beteiligten Nationen, von denen jeder höchstens drei Wagen zum Kampf stellen darf.

Im Jahr 1900 starteten auf der 556 Kilometer langen Strecke Paris - Lyon drei französische Wagen, ein belgischer und ein amerikanischer, im ganzen also fünf Wagen von 10 bis 27 Pferdestärken. Von diesem kam nur einer, der Panhardwagen Charrons, am Ziel an, die übrigen hatten unterwegs Havarien gehabt und das Rennen aufgegeben. Die erreichte Durchschnittsgeschwindigkeit betrug 61 Kilometer in der Stunde.

1901 war Frankreich wiederum mit drei Wagen vertreten, die übrigen Nationen, darunter auch Deutschland, zogen ihre Anmeldungen zurück, und Fournier siegte auf der 557 Kilometer langen Strecke Paris - Bordeaux abermals auf einem Panhardwagen mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 62, 5 Kilometer in de Stunde. Seine Mitbewerber hatten das Ziel nicht erreicht.

1902 konkurrierte mit den drei französischen Wagen nur ein englischer Napierwagen unter Edge, der auf der Strecke Paris - Innsbruck - 618 Kilometer - siegte, ebenfalls als einziger, der am Ziel überhaupt anlangte. Das Durchschnittstempo betrug 58 Kilometer.

1903 fand das Rennen in Irland statt, und zwar zum erstenmal auf einer Rundstrecke, die mehrfach zu umfahren war. Diese Anordnung, die es gestattet, von einem festen Platz aus dem allgemeinen Verlauf des Rennens zu folgen, ist natürlich sehr viel geeigneter, das Interesse an den Vorgängen wach zu erhalten, als es bei einer geraden Streckenfahrt möglich ist. Nun erst eroberte das Gordon-Bennett-Rennen sich seinen festen Platz als ein sportliches Ereignis erster Klasse, zumal, da gegen England noch drei weitere Nationen, Deutschland, Frankreich und Amerika, jede mit drei Wagen, auftraten. Wie allgemein bekannt, ging Jenatzy aus dem Kampf als Sieger hervor mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 89, 2 Kilometer in der Stunde. Außer ihm erreichten noch drei Franzosen und der Sieger des Vorjahres, Edge, das Ziel. Einer der deutschen Fahrer, de Caters, war freiwillig aus dem Rennen ausgeschieden, um ritterlicherweise einem verunglückten Kollegen Beistand zu leisten. Im ganzen war also die Hälfte der Wagen nicht am Ziel angekommen, ein merklicher Fortschritt gegen die früheren Rennen. 1904 erhöhte sich die Zahl der konkurrierenden Nationen auf sechs - Deutschland, Frankreich, England, Belgien, Italien, Österreich - mit je drei Wagen. Amerika und Schweiz waren noch angemeldet, kamen aber nicht dazu, am Wettkampf teilzunehmen.

Von diesen achtzehn Wagen haben nur sechs, also ein Drittel, das Rennen aufgeben müssen, die übrigen zwölf haben die Gesamtstrecke von 550 Kilometer glatt in den Zeiten zwischen 5 Stunden 50 Minuten und 7 Stunden 37 Minuten zurückgelegt. Die Durchschnittsgeschwindigkeit des Siegers Thery, der mit einem Schlag ein wohlhabender und ein berühmter Mann geworden ist, betrug 86,8 Kilometer in der Stunde. Ein ernsterer Umfall ist während des ganzen Rennens nicht vorgekommen.

Aus dieser kurzen Übersicht, ergibt sich klar und deutlich, wie viel weiter der Automobilismus gekommen ist, sowohl was die Schnelligkeit wie auch was die Zuverlässigkeit und Sicherheit beim Fahren angeht, und ferner ersehen wir daraus, in welchem Maß die Automobilindustrie in allen Ländern erstarkt ist, seit die ersten internationalen Wettrennen stattgefunden haben. Hierin liegt ihre außerordentliche Bedeutung, und das muß auch die hauptsächlich in England vertretenen Gegner des Gordon-Bennett-Rennens in gewissen Grad aussöhnen, die dagegen anführen, daß die Steigerung der übrigen Eigenschaften der Automobile, der Dauerhaftigkeit, Billigkeit des Betriebes, Zuverlässigkeit und Tragfähigkeit, zurzeit die wichtigste vorliegende Aufgabe wäre und deshalb die Grundlage für ein Vergleich des Werts der verschiedenen Fahrzeuge abgeben müßte, nicht aber die ungemessene Steigerung der Geschwindigkeit, an deren Ausnutzung doch nicht zu denken wäre, solange es nicht besondere Automobilfahrstraßen gäbe.

In diesem Argument steckt zweifellos sehr viel Richtiges, aber man muß sich doch darüber im klaren sein, daß keine internationale Konkurrenz, die den Vergleich der übrigen vorgenannten Eigenschaften sich zum Ziel setzte, auch nur annähernd imstande sein könnte, durch ihren Verlauf oder ihre Ergebnisse die große Masse des Publikums in gleichem Maß fesseln und zu interessieren, wie es bei den Geschwindigkeitsrennen der Fall ist und stets sein wird. Es kommt hinzu, daß diese für die Entwicklung der Technik einen ungleich höheren Wert haben, als man im allgemeinen annimmt. Bei dem diesjährigen Saalburgrennen hat sich beispielsweise herausgestellt, daß die sonst so vorzüglichen deutschen Mercedeswagen in bezug auf die Zuführung der Essenz und ferner auf die Federung des Oberbaus den französischen wagen noch nicht gewachsen sind. Und die Folge wird zweifellos eine wesentliche Vervollkommnung dieser beiden wichtigen Einrichtungen sein, auf die man ohne das Gordon-Bennett-Rennen nicht gekommen wäre.

In Frankreich beschwert man sich darüber, daß die jetzigen Bestimmungen über das Gordon-Bennett-Rennen kein richtiges Bild von der Leistungsfähigkeit der Automobilindustrie der verschiedenen Länder geben, indem zum Beispiel ein Land, das nur eine Automobilfabrik besitzt, ebenso viele Wagen zum Wettrennen stellen darf, wie ein Land, mit 30 oder 50 bewährten Kraftfahrzeugfabriken. Auch dieser Einwand hat entschieden seine Berechtigung, und läßt sich heute auch noch gar absehen, ob die nächsten Jahre nicht einschneidende Änderungen in den Bestimmungen über die Abhaltung des großen internationalen Rennens bringen werden. Im großen ganzen aber läßt sich nicht bestreiten, daß die Einrichtung auch schon in ihrer jetzigen Form großen Nutzen geschaffen hat, und noch bedeutende weitere Fortschritte zu zeitigen verspricht. Die Anwesenheit des Kaisers beim Rennen, sein Glückwunschtelegramm an den Präsidenten Loubet, die Reden des Prinzen Heinrich und des Ministers Freiherrn von Hammerstein lassen keinen Zweifel darüber bestehen, wie man bei uns an den maßgebenden Stellen über den Wert des Rennen denkt, und die Teilnahme von Deutschland wenigstens an dem im nächsten Jahr in der Auvergne stattfindenden Rennen ist als gesichert anzusehen.

Mit großer Genugtuung können wir Deutschen auf das diesjährige Rennen zurücksehen, in dem von den drei deutschen Wagen zwei die unmittelbar nach dem Sieger belegt haben.

Quelle: Die Woche von 1904; © björn Jadu 2001



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